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  • AutorenbildSusi

Der Kaiserins neue Kleider.

Warum hast du eigentlich so lange deine schönen Beine versteckt?" fragt sie mich.

Ich bin 54 Jahre und treffe auf einer Feier eine Freundin aus Jugendzeiten. Ich trage Rock. Nichts Ungewöhnliches. Und doch etwas Megaungewöhnliches.

Ich bin 8 Jahre alt. Ich finde Jungs ziemlich cool, die können im Stehen pinkeln und dürfen mit Autos spielen und auf Bäume klettern. Meine Mama mag Prinzessinnen, aber ich will gar keine sein. Und nun mußte ich zur Erstkommunion dieses grauenvolle Prinzessinnenkleid tragen. Aber das zahl ich ihr heim. "Mama, damit du es weißt. Dieses Kleid ziehe ich erst wieder an, wenn ich heirate."


Ich habe nicht nur dieses, sondern auch kein anderes Kleid mehr angezogen und Röcke habe ich auch gleich mit in Sippenhaft genommen. Ich bin die Frau, die nur Hosen trägt und basta. Als dann bei meiner Hochzeit das im Schrank für diesen Zweck aufbewahrte Kommunions-Kleid doch nicht mehr passt, wird es halt eine Hose. Ja ich habe Beine, die dienen mir zum Laufen, wozu sonst? Ich bin eine bodenständige, kluge, funktionierende Frau und ich trage keine Kleider und Röcke.


Ich bin 47 und stehe in einem Kaufhaus und komme gegen diesen Wunsch nicht mehr an. Einmal in meinem Leben. Einmal nur, möchte ich ein Kleid tragen. Ich habe so Angst vor den Reaktionen der Leute, ich im Kleid, was werden sie sagen. Ich bin doch die Frau, die die Hosen anhat, äh trägt. Ich schäme mich, auf einmal eine andere sein zu wollen, eine neue Seite an mir auszuprobieren.


Der Sog ist groß, größer als die Angst und die Scham. Vor kurzem habe ich angefangen einige meiner eingefahrenen Glaubenssätze über mich, die Welt und auch meine Sexualität mit The Work of Byron Katie zu hinterfragen. Glaubenssätze, die wie Schlüsseln auf Schranktüren saßen, in denen ich Teile meiner Seins, meiner Verspieltheit, meiner Freude, meiner Lust, meines Körpers, ja auch meines heimlich doch-eine-Prinzessin-sein-wollens versteckt habe. Und nun öffnen sich Türen. Es fängt an, zaghaft.


Ich entdecke immer noch Seiten von mir, die so tief in irgendwelchen Schränken steckten und endlich leben und lieben wollen. Jeden Tag aufs Neue und ich liebe es, andere Frauen dabei zu begleiten, dasselbe zu tun. Weil das Leben es wert ist.

Warum habe ich eigentlich so lange meine schönen Beine versteckt?


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