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  • AutorenbildSusi

Genug genügt?

Die Leute fragen mich immer, kannst du das? Und ich antworte: sieht so aus. Und die Wahrheit ist, ich weiß es nicht.


Es gibt auch diese Seite, die echt Schiß inner Bux hat. Die Seite, die sich selbst immer wieder fragt, ob sie das wirklich kann. Auch wenn es gerade so aussieht als ob.

Von der will ich euch heute berichten.

Immer mal wieder gibt es Begebenheiten, da fühle ich mich zurückgesetzt, gegenüber einer der anderen Frauen. Obwohl er und ich einen wunderbar ehrlichen Umgang mit solchen Momenten haben, wo wir uns uns zeigen, mit all unseren Gefühlen und Ängsten, fühl ich mich manchmal schrecklich allein damit. Nicht weil er mich allein läßt, sondern weil ich mit mir damit allein bin.

Und dann tauchen Gedanken auf. Vielevieleviele. Ein paar davon fundamental. Z.B. der hier:

Ich genüge ihm nicht.

Tja, das ist ja wohl Fakt. Als er mich kennenlernte, hätte er ja sofort alle anderen Frauen fallen lassen können. Hat er aber nicht. Stattdessen erklärt er mir lapidar, er lebe polyamor und spielt nichtmal mit dem Gedanken, auch nur einer der anderen Frauen wegen mir den Laufpass zu geben. Auf eine bestimmte Art grenzt das ja fast an Majestätsbeleidigung.

ICH Majestät Susanne genüge ihm nicht.

Wo gibt es denn sowas?

Nun, ihr ahnt schon die hinter der Ironie versteckte tiefe Verunsicherung. Zum Glück habe ich ja The Work, diese wunderbare Möglichkeit, stressige Gedanken zu untersuchen. Und das hier, ist - Fakt hin oder her - definitiv ein stressiger Gedanke.

Ich nehme eine Situation als Aufhänger, um den Gedanken zu untersuchen: Er hat Zeit mit einer der anderen verbracht hat, während ich dachte, er käme zu mir. Leider hat er dabei versäumt, mir mitzuteilen, dass er nicht kommen wird, so dass ich ungefähr eintausend Tode gestorben bin, als er einfach nicht auftauchte.

In dieser Situation, wo er die Zeit mit der anderen verbringt, genüge ich ihm nicht.

1. Ist das wahr? Ja. 2. Ich genüge ihm nicht. Kann ich mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist? Ich möchte dieser Frage ebenfalls ein schnelles *Ja* entgegenschleudern, doch hier geht es nicht ums rechtbehalten, sondern ums Herzenhören. Also lausche ich in mein Herz und höre völlig überraschend ein leises "nein". Ich verstehe dieses "nein" noch nicht, aber ich traue ihm. 3. Ich genüge ihm nicht. Wie reagiere ich, was passiert, wenn ich das glaube? Ich verschwinde irgendwo. All meine Gedanken kreisen nur darum, wo er jetzt wohl ist, was er jetzt wohl macht. Scham kommt auf. Er verbringt die Zeit nicht mit mir, ich genüge ihm nicht, also bin ich wohl nicht gut, schön, interessant, liebenswert genug. Ich tue vor mir selbst fast so, als könne ich von Glück reden, dass so ein netter Mensch auf eine Niete wie mich reingefallen ist. Der Gedanke ist sehr selbstzerfleischend und schmerzhaft. 4. Wer wäre ich, in derselben Situation, ohne den Gedanken? Da möchte ich sofort dichtmachen, alleine die Frage erscheint mir absurd. Wie bitte??? Erstens BIN ich MIT dem Gedanken, zweitens ist der ja wohl erwiesener Maßen wahr. Wieso verdammt nochmal sollte ich da ohne den Gedanken sein?

OK, da mußte mein Verstand mal schimpfen, aber ich erinnere mich, dass ich hier ja beim Herzenhören bin. Also werde ich stiller und neugierig. Ich erinnere mich, dass ich doch einfach nur eine Frage gestellt habe, weil ich neugierig bin. Also lausche ich erstmal nur der Frage. Wieder und wieder: Wer wäre ich ohne den Gedanken? Wer wäre ich ohne den Gedanken? Wer wäre ich? Wer? Ohne? Wäre ich?

Leere taucht auf, ich habe keine Ahnung. Und dann als ich offen und neugierig weiter mit der Frage in diesen leeren Raum hinein höre, lausche, schnuppere... Da öffnet sich etwas. Langsam. Aber doch sicher. Ich wäre, einfach, wieder ich. Ich wäre nicht mehr die, die versetzt wurde, weil sie so eine Niete ist. Ich wäre immer noch eine Wartende, eine die verunsichert ist, eine, die vielleicht auch ein wenig Angst hat oder sauer ist, und doch wäre ich eine andere, eine, die sich wieder spürt. Eine, die vertraut, eine, die liebt. Eine, die fühlt und jedes dieser Gefühle in sich ganz bewußt spürt. Eine die nicht mehr dissoziiert, indem sie den Fokus auf seine Abwesenheit legt, sondern eine die sich mit sich selbst verbindet, indem sie den Fokus auf ihre An-WESEN-heit legt. Ein atmendes, fühlendes, warmes Wesen.

Ich kehre den Gedanken um und finde:

- Ich genüge mir nicht. Ohja, in dem Moment, wo ich da allein bin, mich aber verlasse, indem ich ihm Vorwürfe mache, dass ich ihm nicht genüge, genüge ich mir nicht. In dem Moment, wo ich meine, er müsse auf der Stelle alles stehen und liegen lassen, nur damit ich nicht eine Sekunde länger warten muß, genüge ich mir nicht. Indem Moment wo ich mich frage, was die andere hat, was ich nicht habe, genüge ich mir nicht. Ich verlasse mich. Aber nur Total.

- Er genügt mir nicht. Das ist eine spannende Sichtweise. Und ja ich kann auch das sehen, obwohl ich in dem Moment, wo er ja gar nicht da ist, all mein Denken um ihn kreise, genügt er mir doch nicht, so wie er ist. Und in diesem Moment ist er einfach nicht abkömmlich für mich. Er lebt ein eigenes Leben. Das genügt mir nicht. In dem Moment, wo ich die Majestät bin, die einfach nur gehuldigt werden will und er nicht liefert, ja da genügt er mir nicht. Das ist viel wahrer.

- Ich genüge ihm. Oh, das ist wohl gerade die schwierigste Umkehrung für mich. Wie kann das wahr sein, dass ich ihm genüge, wo er doch de facto nicht zu mir kommt. Nun, wie ich später erfahre, hat er diverse Male an mich gedacht und die Absicht gehabt, zu mir zu kommen. Dass es anders kam, hatte andere Gründe. Ich genüge ihm. Oh wow, es genügt ihm in dem Moment, an mich zu denken, um sich verbunden und wohl auch ein bißchen verunsichert zu fühlen, weil er gerade nciht weiß, wie er sich teilen kann. Ich genüge ihm, er kommt am Ende doch noch rechtzeitig vor Tagesanbruch und als er nur ein heulendes Elend vorfindet, liebt er dieses Häufchen mit der ganzen Kraft seines Herzens. Ich genüge ihm auch als heulendes Häufchen Elend, das von sich selbst glaubt, es sein eine Niete.

- Hurraaaa!! Ich genüge ihm nicht. Das Ganze hat mir eine unglaublich kraftvolle Nacht und anschließende Prozesse beschert. Ich durfte dem Gedanken "ich genüge nicht" begegnen, der mich schon mein Leben begleitet. Seit wann? Vielleicht schon nach der Konzeption oder Geburt, als meine Mutter manchmal so in ihren eigenen Geschichten verfangen war, dass ich der Wonneproppen ihr scheinbar nicht genügte, um sie glücklich zu machen. Oder erst später, als sie einen zweiten Wonneproppen in die Welt setzte. Ich genügte auch so mancher Freundin aus Kindertagen nicht, die sich irgenwann anderen Freundinnen zuwandte. Und ich genügte allerlei Männern nicht, die zwar keine Frauen, aber stattdessen Arbeit, Fußball, Kegelabende etc. vorzogen, um auch ohne mich glücklich zu sein. All das kein Beinbruch, solange bis ich daraus eine Lebensphilosophie, oder sollte ich lieber sagen: Lebensfolter daraus machte und ihr den Namen gabe:

Ichgenügenicht. Ichgenügenicht. Ichgenügenicht. Ichgenügenicht.

Und die Wahrheit, die wirkliche ganze Wahrheit? Die die ich vor mir selbst nciht eingestehen mag, weil das Leid mir einfach vertrauter ist?

Ichgenüge. Ichgenüge. Ich genüge. Ihm und ihr und ihnen und vor allem: MIR. Und selbst wenn da mal ein Mensch ist, dem ich nicht genüge, genüge ich immer noch. Selbst wenn da nie wieder jemand wäre, dem ich genügen würde, so genügte ich immer noch. Ich bin ein Wesen auf dieser Erde, ich atme und essse und kacke und schlafe und liebe und weine und lache und genüge. Ich genüge. Weil ich genug bin.

Ich freu mich auf den nächsten stressigen Gedanken, den ich untersuchen kann und bis dahin, genüg ich mir jetzt einfach mal so. Und erlaube ihm nebenbei, mir einfach mal zu genügen, so wie er nunmal ist. So wie er mein Herz erobert hat und das immer wieder tut, selbst wenn ich mir gerade gar nicht genüge.

Und du? Kennst du den Gedanken auch manchmal, dass du etwas oder jemanden nicht genügst. Dass du nicht gut genug bist? Falls ja, konntest du dich wiedererkennen? Was wären wohl deine Antworten und Erkenntnisse, aus so einer Work?

Wenn du magst, teil vielleicht sogar deine Work hier. Es geht ganz einfach, wie habe ich dir vorgemacht, er braucht ein bißchen Stille und eine gute Prise Neugier und die Bereitschaft, dem Rechtbehaltenwollen einfach mal einen Moment Urlaub zu geben.

Und los geht's, sitze einfach mit den Fragen:

Du genügst xyz nicht.

1. Ist das wahr? 2. Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist? 3. Wie reagierst du, was passiert, wenn du das glaubst? 4. Wer wärest du ohne den Gedanken? Finde deine Umkehrungen (rein grammatisch: zu dir, zum anderen, ins Gegenteil) und jeweils Beispiele, wie dieser umgekehrte Satz auch wahr sein kann.

Text: Susanne Große-Venhaus, #ProjektSchamLos, liebens-lust.de

Foto: unsplash, Franz Harvin Aceituna

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