Ich gestehe, dass ich eine Täterin bin.
Ich gestehe, ich bin eine Frau in den Wechseljahren.
Meine Tat? Ich genieße das. Ich genieße, den Wandel, den Wechsel. Ja manchmal geht es ganz schön auf und ab, eine zeitlang ziemlich rasant ab, fand ich nicht so prickelnd. Und doch. Ich mag es. Achterbahnfahren ohne echtes Risiko. Keine Tüv-Prüfungen nötig, kein teures Geld, alles ganz natürlich.
Ja, manchmal wird mir ganz heiß und noch ein bißchen heißer. Bis dato habe ich gelernt, dass es ganz schön heiß ist, heiß zu sein und jetzt soll ich das auf einmal Scheiße finden? Klar gibt es Situationen, wo das mit der Hitze genauso wenig prickelnd ist, wie die emotionalen Talfahrten aber scheiße kann ich das einfach nicht finden.
Ich gestehe! Ich gestehe das Unaussprechliche: ich bin eine Frau in den Wechseljahren und ich mag das.
Ich mache mir deutlich weniger Gedanken über meine Speckrollen und über die Auswirkungen der Schwerkraft. Ich brauche meine Fältchen nicht überschminken, sie zeugen von einem gelebten Leben, von viel Freude und auch viel Schmerz. Sie machen meine Ausstrahlung, meinen Glanz. Sie sind ich, ich bin sie. Ich gestehe, ich finde das ziemlich klasse.
Ich gestehe auch, ich nehme den Wandel an, mein Körper liefert mir allerhand Zipperlein. Die zwingen mich, mehr Sport zu treiben, mich achtsamer zu ernähren, mir Ruhepausen zu gönnen. Sie verzeihen mir keinen weiteren Raubbau mehr an mir selbst. Auch wenn das manchmal lästig ist: wie schön, solche Aufpasser zu haben.
Ich gestehe, es geht sogar noch weiter. In meinem lieben Leben hat sich auch mein Liebesleben arg gewandelt in den letzten Jahren und noch mehr in den letzten Monaten. Da geht die Achterbahn nochmal in eine neue Runde, nimmt ein paar Loopings in einem Tempo, dass es mir manchmal den Atem nimmt und ich mit zitternden Beinen aussteige. Nur um kurz darauf wieder einzusteigen für die nächste Runde.
Ich gestehe, ich finde diese Zeit unglaublich spannend.
Ich gestehe, ich würde gerne andere Frauen in einer ähnlichen Lebensphase mit ein wenig Leichtigkeit beschenken, mit ein paar Ideen, wie man diese Zeit nicht nur als Last sondern stattdessen mit Lust erleben darf.
Ich gestehe, dass ich deshalb meinen letzten Text über meinen Umgang mit Eifersucht in die "Wechseljahre - wir schaffen das!"-Gruppe posten wollte. Ich wollte zeigen, was sich in meinem Leben gerade alles so wandelt und wie die wachsende Fähigkeit, mich echt zu zeigen, eins der größten Geschenke dieser Zeit für mich ist. Ich kann mich berühren lassen, von meinen Ängsten und Gefühlen. Das war die Botschaft und damit habe ich offensichtlich auch bei einigen außerhalb dieser Gruppe einen Nerv getroffen. Übrigens auch bei jüngeren Menschen.
Einen anderen Nerv habe ich dann wohl bei den Admins der besagten Gruppe getroffen, die haben mich blockiert, ohne mir mitzuteilen warum. War es das Stichwort "polyamor" oder weil das Wort "Sex" drin vorkam? Oder weil es einen Hashtag #ProjektSchamLos gab? Vielleicht habe ich auch echt eine Regel der Gruppe verletzt, wenn das so ist, hätte ich gerne erfahren warum.
Und ich gestehe, je ne regret rien.
Ich gestehe, ich bin eine Frau in den Wechseljahren und ich bin eine Täterin, weil ich diese Zeit aktiv für mich gestalten will und mich weigere, mich als Opfer eines natürlichen Prozesses des Wandels zu sehen.
Ich gestehe, ich schaue dem Dämon lieber ins Maul, neugierig auf das, was es dort zu entdecken gibt.
Ich gestehe.
Text: Susanne Große-Venhaus, www.liebens-lust-de, #ProjektSchamLos Bild: pixabay (Drachen und Frau), Monika Engisch (ich)
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