"Look into their eyes, precious." Schau in ihre Augen, du Wundervolle.
Ich. Soll. WAAAAAAASSSSS?

"Liebes, schau in ihre Augen." dolmetscht mir mein Hin.
Tränenschleier vor meinen Augen. Den Zettel von dem ich eben vorgelesen habe, halte ich zittrig in meiner kraftlos herunterhängenden Hand.
Ich soll WAS?
Wo bin ich und wie bin ich hierher geraten? Ich bin auf der School for The Work of und mit Byron Katie, deren Stimme mir gerade dieses Du-Wundervolle-Zeug erzählt. Zuvor hatte sie uns folgende Frage gestellt:
Wofür schämst du dich am meisten? Was bedeutet das? Und was befürchtest du, würde passieren, wenn andere davon erfahren?
Und dann hat sie Freiwillige eingeladen, dies auf der Bühne vorzulesen.
Irgendein Kamikaze-Ding in mir, hat meinen Finger in die Luft gestreckt und nun ist es nicht mehr rückgängig zu machen: all meine schamvollen Gedanken über meinen Körper und meine Sexualität hallen noch nach in den Ohren von ein paar hundert Menschen und ich möchte sterben.
Ich finde, das war mutig genug. Kann ich jetzt bitte einfach abtreten?
"Look into their eyes." Und wenn ich doch einen Blick wagen würde? Einen klitzekleinen?
Vorsichtig luke ich durch die Tränenschleier.
Das erste Augenpaar trifft mich. Ich sehe Warmherzigkeit. Das nächste, ich sehe Mitgefühl. Ich hebe den Blick, hunderte Augen sind auf mich gerichtet. Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Stille. Nur Stille, Akzeptanz und Liebe.
"Thank you, honey." Ich danke mir auch.
In den Tagen danach sprechen mich immer wieder Menschen an. Frauen, die mir von ihrem Hadern mit ihrer Sexualität und ihren Körpern erzählen. Männer, die sich einfach nur bei mir bedanken. Leute, die mir erzählen: "you are so wonderful . And the last one to know." Du bist so wundervoll und die letzte, die davon erfährt.
Äh wundervoll? OK, viellleicht ist das alles nicht ganz so schlimm, wie ich dachte, aber wundervoll. Die haben doch keine Ahnung!!
Und wenn es doch wahr wäre?
Was, wenn die größte Scham von allen, gar nicht die Dinge wären, wo wir glauben, versagt zu haben, sondern die Dinge, auf die wir heimlich stolz sind? Die Dinge, von denen irgendetwas in unserem System schon lange weiß, dass sie in uns leben?
Was wenn all das, wofür wir uns schämen, eigentlich nur die Kehrseite von dem ist, was wir in Wirklichkeit besonders gut können?
Und was?? Ja was??? Wenn wir uns, wie ich damals auf die Bühne stellen und DAS den Menschen erzählen?
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