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  • AutorenbildSusi

Toxisch.

Aktualisiert: 20. Juni 2020

Ein neues Wort ruft mich auf den Plan. Er hat es mal gesagt in Bezug auf mein ewiges Kreisen um ihn: "toxisch".


Jetzt sagt es eine Freundin. Nein eigentlich sagt sie nur sowas wie, ich müsste mich halt damit abfinden, dass ich diesen Mann eben liebe und deshalb auch mit ihm zusammen bleibe, auch wenn die Beziehung mir nicht mehr gut tut. Das ist er Moment. "Toxisch" fasst mein Hirn ihren Zustandsbericht an mich zusammen.




Und ein Moment der Klarheit vertreibt den ganzen Sumpf und ich weiß einfach: ich werde nicht in einer Beziehung bleiben, die mir nicht gut tut, mich inzwischen eher krank macht. Egal wie sehr ich ihn zu lieben glaube. Ich tippe "toxische Beziehung" in die Suchmaschine, lande schnell auf einer Homepage, die sich dem Thema auf eine sanfte Art widmet. Und mag kaum glauben, was ich lese. Halte mich an den Dingen fest, die mir beweisen, dass wir doch nicht toxisch sind, weil es in diesen Punkten bei uns eben doch anders ist, als dort beschrieben. Wir haben kein abrupten Kontaktabbrüche, keine on/off-Beziehung und wir streiten auch nicht viel. Und überhaupt, nein sowas passiert anderen Menschen, aber doch nicht mir. Ich würde das doch spüren. Und doch.... Woher weiß die Autorin so genau über meine Gefühlswelt in dieser Beziehung bescheid? Über diesen stetigen abrupten Wechsel zwischen intensiver Nähe und Verlustangst. Über die innigen Momente, die sich so anfühlen, als seien wir füreinander bestimmt, hätten uns schon in früheren Leben gekannt, diese Momente, die einfach klar machen: He's the one!

Und über die Momente, wo ich denke, ich bin mit einem Fremden zusammen, wo vor allem ich mich so verloren, so absolut LOST fühle, so sehr, dass nur ein Mensch das wiedergutmachen kann und dieser Mensch ist ausgerechnet der, der das Gefühl in mir provoziert hat. Er. Woher weiß sie, dass ich mich so nach und nach immer mehr nach seinem Leben ausgerichtet und viele Dinge, die mir doch so wichtig waren (z.B. auch The Work) vernachlässigt habe und mir dann auch noch erzählt habe, das sei bedingungslose Liebe und ich könne mich glücklich schätzen, dass mir so etwas widerfährt? Und muß sie mir jetzt auch noch sagen, dass das vor allem intelligenten und empathischen Frauen wie mir widerfährt? Dass gerade Frauen wie ich gefährdet sind, in solche Beziehungen zu geraten, wo sie Liebe mit Sehnsucht verwechseln. Und dass der manchmal leise, manchmal laute Schmerz, den sie quasi ständig in so einer Beziehung spüren, nur das Bindungsgefühl steigert und damit parodoxerweise die Illusion der Liebe aufrecht erhält? Und dass die betroffenen Frauen (un)bewußt von Männern ausgesucht werden, die ihren eigenen unverarbeiteten tiefen Schmerz immer wieder zurückdrängen und daher eine empathische Frau als Projektionsfläche brauchen, als eine Möglichkeit, das Gefühl auf sie zu übertragen? Und dass auf der anderen Seite genau solche Frauen, solche Männer suchen, um ihre Sucht nach Beziehung zu befriedigen? "Ich gewinne ihn an seine Sucht" die Umkehrung der Work, die ich erst Monate später machen werde (siehe Story "Jeden Morgen") gewinnt hier an Bedeutung. Seine Sucht nach Beziehung hat meine Sucht nach Beziehung getroffen. Endlich war da einer, der sich nicht so verhalten gezeigt hat, sondern dem es scheinbar gar nicht schnell genug gehen konnte, sich verbindlich an mich zu binden. Er warnt mich noch: "wenn du mit mir zusammensein willst, dann mußt du mich ganz in dein Leben aufnehmen." Und in mir schreit alles nur Jaaaaa, Jaaaa, Jaaaa, genau das will ich. Ich will verschmelzen bis zur Unkenntlichkeit. Das ganze verziert mit ein paar romantischen Hollywood-Vorstellungen... bis dass der Tod.... Und jetzt? Ist das der toxische Tod? Könnte das erklären, warum ich mich so fühle? Warum ich so an ihn klammere, wo ich doch schon lange weiß, ich bin innerlich ziemlich stabil und ich brauche ihn nicht? Passt das nicht auch zu dem, was ich ihm, noch bevor ich diesen Artikel las, vorwarf, nämlich, dass ich den Verdacht habe, dass er gerne das Drama bei seinen Frauen provoziert, damit er dann als der edle Retter da stehen kann? Damit er sich von ihren Gefühlen und ihrem Drama berühren lassen kann? Und passt das nicht auch zu dem Thema Sucht (Sucht nach dem nächsten Kick, dem nächsten Abenteuer, dem nächsten intensiven Gefühl), das mich jetzt schon eine Weile morgen für morgen mit seinen dunklen Nebelschwaden besucht und meine Eingeweide mit graugrünem Schleim ausfüllt, mich lähmt und in den Abgrund zieht?

Ich wehre mich: neinneinnein. DAS KANN NICHT SEIN. ICH doch nicht! Doch: ich. Auf einmal sehe ich das alles und wache nach einer schlimmen Zeit mit neuer Klarheit auf.

Es ist nicht seine Schuld. UND: ich werde mich von ihm trennen.


Da ist immer noch Liebe. Und ich trenne mich von ihm. Da ist Dankbarkeit. Und ich bin jetzt wieder Single. Als ich es ihm mitteile, geht es ganz leicht. Es gibt nicht viel zu sagen. Und dann essen wir zusammen als sei nichts geschehen. Es ist friedlich, als er geht.


......................................................................... Der Frieden hält eine kurze Zeit, dann kommt der Bumerang zurück. Die Erkenntnis, in einer toxischen Beziehung gelandet zu sein, die Erkenntnis, die mir den Ausgang in die Freiheit zeigte, pflanzt sich wie neues Gift in meine Eingeweide. "Ich war fast zwei Jahre in einer toxischen Beziehung." Meine Weigerung, ihm dafür die Schuld zu geben, führt dazu, dass ja nur ein Mensch an sowas schuld sein kann: ICH! Ich hätte es wissen müssen, ich hätte es sehen müssen, ich war die Süchtige. Immer wieder falle ich auf so beziehungsunfähige Typen rein. Kann ja nur an mir liegen. Ich werde nie wieder nie nie wieder in einer glücklichen Beziehung sein. Ich bin diejenige, die süchtig nach dem Drama ist. Ich suche etwas, was es nie geben wird. Ich kriege es einfach nicht gebacken. Toxisch. Die Beziehung war toxisch (und das bedeutet all das über mich). Ist das wahr? Ich halte inne. Raus aus dem ICE-Gedankentempo. Ist es wahr, dass die Beziehung toxisch war? Ja, Teile davon. Ja. Ein Wort, Susi. Ein Wort als Antwort reicht: ja oder nein. Ist es wahr, du warst in einer toxischen Beziehung? ja. Gut und kannst du das absolut sicher wissen? nein. Nein, kann ich wirklich nicht. Etwas lässt los. Ich spüre richtig wie in mir etwas aufgeht. Wie ich reagiere mit dem Gedanken, hab ich eben schon gesehen. Gift in meinen Eingeweiden. Schuldzuweisung an mich selbst und immer noch das ewige Kreisen um ihn. Und das ist noch mehr. Das hat was von Festhalten. Dann hab ich wenigstens noch mein Drama, einen Hauch der alten Sehnsucht nach ihm, nach Liebe, danach, dass es den einen "he's the one" gibt. Ich lächle, ja die Romantikerin in mir, die die gerne Herz-Schmerz-Filme sieht. She's the one von he's the one. Wer wäre ich ohne den Gedanken? Wer wäre ich ohne den Gedanken, dass ich (ausgerechnet ICH!!!!) in einer toxischen Beziehung war? Oh da ist auch Angst, ohne den Gedanken zu sein. Schließlich hat der mir geholfen, aus der Beziehung raus zu kommen, wenn ich den jetzt loslasse, dann verliebe ich mich womöglich wieder in den nächsten Kerl der so ist. Puh. Festhalte-Intermezzo. Der Gedanke hilft mir also mich zu lösen? Aber gerade eben hat er mir doch noch geholfen, den Rest festzuhalten. Was denn nun? Schau nochmal hin. Die Beziehung war toxisch. Wer wäre ich ohne diesen Gedanken und ohne die Idee, ich bräuchte den irgendwie noch? Dankbar. Dankbar für diese verrückt-glückliche Zeit. Für Barfusslaufen auf Gänseblümchen im Asphalt, für Liebe unter freiem Himmel, für Reisen und andere Reisen, für die Ahnung von Grenzen- und Bedingungslosigkeit, für Begehrlichkeiten, für neue Freundschaft 2.0, für das Eintauchen in eine mir fremde und zugleich irgendwie altbekannte Welt, für Großzügigkeit, für den Herz-Schmerz in der Innigkeit, für ganz großes Kino. Für das Verewigen in ProjetkSchamLos, das zu diesem Blog wurde. Für das Freisetzen der Kreativität in mir. Fürs Inspiriert werden, Inspiriert und Inspirierend sein für andere. Für Mut und Hingabe. Für die Freiheit zu gehen, als ich nach etwas anderem strebe. Barfuß auf Gänseblümchen im Asphalt. Toxisch. Jedes Medikament ist das. Die Dosis macht das Gift - oder die Heilung. Die Beziehung war heilend. Ich habe einen Traum gelebt, den Traum von Freiheit und Abenteuer und intensiver Leidenschaft, dem ich ansonsten immer weiter hinterher gerannt wäre. Einen Traum, von dem ich erleben mußte, dass er mir am Ende nicht reicht. Dass ich mehr will. Und zugleich weniger: Die Wirklichkeit. Das ist die Wahrheit. Ich sollte einfach aufhören, an der Wunde zu kratzen. Und nein, ich sollte nicht aufhören, an der Wunde zu kratzen, ich kratze gerne an Wunden, sie heilen trotzdem. Wenn ich kratze, kann ich auch erfahren, ich sehe mich von innen. Falls du das hier liest. Sollst du wissen. Ich liebe dich. Jetzt in diesem Augenblick. Heute ist dein Geburtstag und ich lasse dich jetzt los. Ganz. So gut ich kann. In Liebe. Danke für diese heilsame Reise.

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