Ich möchte so gerne schwanger werden, aber es klappt nicht. Auf entsprechende Nachfragen, ob ich keine Kinder wolle, reagiere ich ausweichend. Niemand soll wissen, wie verzweifelt wir es versuchen. Scham.
Ein paar Jahre danach: Ich sitze bei meiner Chefin, mein Gynäkologe hat mir soeben mitgeteilt, dass das Baby in meinem Bauch, das sich doch gerade erst eingenistet hatte, nicht mehr lebt. Ich brauche eine Ausschabung. Ich weine, ich will nicht das jemand davon erfährt. Meine Chefin und ich hecken eine Lüge aus, wir werden sagen, es sei eine kleine OP wegen einer Zyste. Ich wußte gerade mal seit zwei Wochen, dass ich schwanger bin. Die anderen sollen es nicht erfahren. Scham.
Wofür schäme ich mich hier? Dass ich erst nicht schwanger werde und dann doch? Nein, ich schäme mich, für meine Verletzlichkeit. Ich muß doch stark und tough sein. Über seine wunden Punkte spricht man nicht.
Zwei Jahre später: Ein paar Wochen ist es nun her, dass ich wieder arbeite. Diesmal wissen es alle. Ich habe mein Baby verloren, im 6. Schwangerschaftsmonat, gerade als mein Bauch anfing, sich zu runden. Vier Monate hatte ich gewartet und dann doch allen erzählt, dass ich schwanger bin. Für mein Umfeld ist es das 1. Mal, die andere Schwangerschaft ist immer noch ein gut gehütetes Geheimnis. Und nun habe ich auch dieses Kind verloren, und bin wieder im Büro. KEIN Mensch, ich betone KEIN Mensch spricht mich darauf an, was passiert ist. Sie wissen es alle. Sie haben mir eine Karte ins Krankenhaus geschickt und jetzt sagen sie NICHTS. Nun, das stimmt nicht, ich war u.a. auch beim Frisör, das bemerken sie und die "Jeans, die hast du doch auch neu, oder?". Ja auch die Jeans ist neu. Und vor allem ist neu, dass ich mein Baby verloren habe und ihr schweigt? Alle?
Eine bricht das Schweigen, sie bringt mir Blumen. Der nächste kommt in mein Büro, sieht die Blumen und fragt, ob ich Geburtstag habe. Da kann ich nicht mehr an mich halten, all der Schmerz bricht sich Bahn. Ich beschimpfe ihn wütend, schreibe danach eine Mail an alle meine Kolleginnen und Kollegen, wie weh das tut, dass mein Schmerz so ignoriert wird. Einige wenige trauen sich daraufhin mit mir zu reden und erzählen mir von der Scham. Scham, das falsche zu sagen, zu tun, also sagen sie lieber nichts. Die meisten verharren in ihrer Stummheit. Scham.
Ja, auch das ist Scham. Wir wissen nicht, wie wir mit der Trauer umgehen sollen, nicht mit unserer eigenen, nicht mit der der anderen. Also verstecken wir uns weiter. Und weiter und weiter. Auf das niemand uns sieht.
Auch hier ist mein Warum! Wie können wir leben, wenn wir uns schämen? Schämen dafür Gefühle zu haben, verzweifelt zu sein, verunsichert zu sein, nicht zu wissen, wie wir uns verhalten sollen? Wie können wir lieben, wenn wir uns schämen. Ich liebe alle meine drei Kinder und manchmal schäme ich mich, weil ich dem einen, das mit uns lebt, keine gute Mutter bin. Welche Mutter kennt diese Scham nicht?
Warum eigentlich entstehen Kriege? Ich meine nicht nur die großen (die auch), sondern auch die kleinen alltäglichen. Jemand hat mich verletzt und ich hau drauf. Besser, als dass er meine Scham sieht.
#ProjektSchamLos ist mein Warum für mehr Leben im Leben, für mehr Liebe und Lieben, für mehr Leben im Lieben, für mehr Lieben im Leben. Für die Hingabe an das was ist.
Und ich kann es auch noch nicht. Deshalb bin ich hier und zeige mich.
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