Dies ist ein Gastbeitrag einer anderen Autorin, den ich liebend gerne unter dem Pseudonym Herzogin veröffentliche:
Seit einer Stunde liege ich hier und denke an dich. Mal wieder.
Wer bist du?
Ich sehe Güte, Wärme, Sanftmut, Mut, Gelassenheit, Enthusiasmus, Leidenschaft. Ich spüre Zurückhaltung. Angst? Vor Nähe? Rollen und Masken.
Du bist der Lehrer, der Freund, der gute Nachbar, der Mann, der das gute sehen will, verlässlich ist, sich verlassen können will und sich verlassen fühlt.
Deine Liebe zum Detail, der Wunsch, außergewöhnliches zu erschaffen nehmen mich ein. Behandelst du alles in deinem Leben so wie deine Projekte? Oder eher so wie dich selbst? Gehst hart an deine Grenzen und merkst es nicht mehr. Gibst alles, was du hast - wofür?
Du lässt mich in dich, langsam, Schritt für Schritt, forderst nicht, nimmst keinen Raum, sondern schenkst ihn mir. Schenkst ihn jedem, der ihn braucht, freigebig, wie du nun einmal bist. Doch du beobachtest auch sehr genau, wartest, siehst dir die Menschen mit wachen, intelligenten Augen an. Du bleibst lang an der Oberfläche, zeigst den Menschen deine unkomplizierte Seite. Dein Plauderton, dein unverbindliches Lächeln, deine interessierten Fragen sind Einladungen an dein Gegenüber, bei sich zu bleiben, von sich zu erzählen. Deine Strategie geht auf. Sie erzählen von sich, ihren Projekten, Plänen und Träumen. Du kannst hinter deiner Maske bleiben, beobachten, warten, zuhören. Dann erschrickst du fast, als ich dich frage. Du erzählst nicht gern von dir. Was hast du erlebt? Wer lehrte dich Vorsicht?
Warum erwacht in mir der Wunsch, dich zu beschützen, sobald ich dich sehe? Weil du mich beschützt?
Ich habe dir vertraut. Von Anfang an. Dieses kleine Pflänzchen wächst in deinen Händen so schnell zu einem Bäumchen heran. Mit ihm meine Zuneigung zu dir.
Doch ich will sie nicht. Bitte leg das Bäumchen beiseite. Es tut so weh dich zu mögen, mit jedem gemeinsamen Lachen mehr, mit jedem Lächeln von dir mehr, mit jedem stolzen Blick auf das Erschaffene mehr. Mehr Zuneigung, mehr Gedanken an dich, mehr Unsicherheit, mehr Vertrauen, mehr Schmerz. Magst du mich? Oder ist das deine Maske? Ist die Nähe, die ich in unserer allein-gemeinsamen Zeit spüre echt oder Einbildung?
Ein Schritt vor, zwei zurück. Ich habe das bereits erlebt. Mit der Liebe neben mir. Ich habe ihm vertraut. Ich habe ihm geglaubt. Alles. Herzmensch. Schön. Süß. Lieb.
Grenzen. Mach langsamer. Das stresst. Keine Bindung. Nur was lockeres. Doch ich wollte mehr, er wollte mehr. Ich hab es gespürt und gewusst, bin mit ihm getanzt. Ein Schritt vor, zwei zurück.
Ein langsamer Tanz. Ganz aus dem Takt manchmal, wild ein anderes mal.
Diese Bindung. So sicher. Selbstgenügsam. Als hätten wir über die Jahre mit diesem Tanz einen festen Teppich gewoben, der uns überall hin trägt.
Wohin tanzt du? Ich wüsste gern den Takt. Jazz? Ein Zwiegespräch. Saxophon und Keyboard streiten sich. Der Bass vermittelt. Wer bist du? Ich möchte mit dir tanzen. Sag mir den Takt. Wie groß wird unser Teppich? Ich wüsste es gern.
Tanz mit mir.
Ich tanze nur mit ihm. Denkst du das? Weil man das so macht? Weil es sich nicht schickt, zwischendrin den Beat zu wechseln, den Partner zu tauschen? Nur Walzer, kein Jazz? Wer Hiphop tanzt, interessiert sich nicht für Rock?
Du weißt von ihm, unserem Tanz, dem Turnier, der Zwischenprüfung. Du weißt nicht, dass ich gern auch andere Musik höre, mich führen lasse, führen möchte. Wie soll ich dir das nahe bringen? Bist du offen für neues? Tanzt du mit mir, ist er auch irgendwie dabei, er hat meinen Stil sehr geprägt - so wie ich seinen. Doch es gibt noch so viel mehr.
Zeig mir deinen Takt, nimm meine Hand. Tanz mit mir.
Zeig mir mehr von dem Mann hinter der Maske. Auch wenn du denkst, ich würde ihn nicht sehen wollen. Ich MUSS ihn sehen. Lass mich rein. Die Ungewissheit schmerzt. Lass mich dich berühren. Lass deine Augen auf meinen ruhen. Sieh mich. Zeig dich. Tanz mit mir.
Halb zwei.
Meine Liebe schläft.
Und ich denke an dich. Ich habe Platz für einen zweiten Teppich, denke ich.
Und Beruhigungstee ist sinnlos, wenn man davon alle 30 min aus dem Bett muss. Du würdest mich jetzt auslachen. Wie an dem Tag, als ich meine Nudelsuppe mit Stäbchen aß.
Und jedesmal wächst das Bäumchen. Und es tut weh.
Ich wollte schon lang nicht mehr so unbedingt tanzen, wie jetzt mit dir.
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