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  • AutorenbildSusi

Das erste Mal.

Spätestens als er das Kondom zurechtlegt, kann ich nicht mehr so tun, als wüßte ich nicht, worauf das hier hinausläuft. Wie eine Warnblinklichtanlage taucht die Frage auf: Will ich das? Darf ich das?


Mein Verstand sagt einerseits: ja, unbedingt. Schließlich frage ich mich schon länger, wie es wohl wäre, wenn ES passiert.


Andererseits habe ich mich sehr an meinen letzten Rettungsring geklammert. Und der hieß: mag ja sein, dass mein Partner polyamor lebt, aber ich kann wenigstens noch von mir behaupten, monoamor zu sein. Alte klebrige Moralvorstellungen in mir. Was wenn ich die loslasse? Wie stehe ich dann da? Vor mir? Vor anderen?


Ich treffe eine Entscheidung. Ich werde es meinem Körper überlassen. Sollte der auch nur den Hauch eines Widerstandes zeigen, werde ich das Ganze abbrechen. Zum Glück weiß ich, dass ich mich da auf ihn verlassen kann.


Der Widerstand kommt nicht, im Gegenteil, während mein Kopf immer noch ein paar Fragezeichen in den Äther schickt, gibt mein Körper grünes Licht. Und ES passiert.

Mein erstes Mal.


Oh, das fühlt sich gut an. Einfach ein wunderbares Gefühl. Wir schauen uns immer wieder in die Augen, das ist mir wichtig, ich will ihn nicht ausblenden, mir vielleicht gar einbilden, er wäre er und nicht er.


Ich will das spüren, was hier passiert, denn etwas in mir weiß, dies wird mindestens so große Auswirkungen haben, als damals mein allererstes Mal. Es wird mir Antworten liefern, auf Fragen, die ich mir nun schon eine Weile stelle.


Und gleichzeitig ist all das überhaupt gar nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass ich jetzt spüre, wie wir gerade Liebe machen. Auch, wenn wir uns danach vielleicht nie wieder sehen sollten. Auch, wenn die Gesellschaft uns verurteilen würde, für das, was wir gerade tun. Schließlich sind wir zwei jeweils in einer "festen" Beziehung mit anderen Menschen.


Und dann passiert noch etwas. Also nachdem wir jetzt schon eine kleine Weile vereinigt sind, fühle ich, wie sich etwas öffnet in mir. Als sei ein bis dato verschlossener Topf aufgegangen, in dem sich Sternenstaub befindet und der nun das Licht in die Freiheit entläßt. Ich fühle intensivste Liebe zu meinem Partner und bin doch gleichzeitig voll und ganz in Liebe mit diesem Mann hier verbunden. Beide bekommen die volle Ladung meiner Hingabe und Präsenz.


Ja, es ist "nur" Sex und es ist soo viel mehr als Sex. Lichtvolle Leichtigkeit. Ein Gefühl von Freiheit und Verbundenheit. Pure Freude.


Mein erstes Mal. Das erste Mal, dass ich mit einem anderen Mann schlafe, seit ich mit meinem Partner zusammen bin. Und das erste Mal überhaupt, dass ich "bekannt" gehe ("fremd" hab ich schonmal gemacht, fühlte sich nicht gut an).

Das erste Mal.


Eine Weile danach schleiche ich mich aufs Zimmer, es ist spät geworden, bzw. früh. "Wo warst du denn?" murmelt er im Halbschlaf. Ich brauche noch ein wenig, möchte dem, was da gerade passiert ist, erstmal Raum in mir selbst geben. "Sag ich dir morgen." murmele ich und drehe mich mit dem Rücken zu ihm.


"Morgen" ist offensichtlich 5 min später. Ich drehe mich wieder zu ihm. Kuschele mich an ihn an, atme und dann fließt es aus mir raus. Ein Satz. Drei Wörtchen, die in so vielen Schlafzimmern jetzt ein Drama auslösen würden. DER Satz, auf den er jetzt schon so lange wartet und ich wohl auch, auch wenn mir das nicht so bewußt war: "Ich hatte Sex."

Freude. Freude erfüllt den Raum. Er grinst bis zu beiden Ohren. "Jippiiieee" ist sein einziger Kommentar in dieser Nacht.


Das erste Mal, dass er sich mit mir freuen darf, weil ich Sex mit einem anderen hatte. Mehr als seine Worte und sein Lächeln erreicht mich seine Liebe über den Hautkontakt. Kaum zu glauben, er hatte das ja immer angekündigt, aber es wirklich zu spüren, ist nochmal etwas anderes. Er freut sich tatsächlich.


Wir schlafen ein. Friedlich. Im Herzen verbunden. Nah, näher, am nächsten. Das Wort "Gönnen-Können" kommt mir in den Sinn. Und das trifft es dennoch nichtmal annähernd. Es ist soooo viel mehr als ein "können". Eher ein "sein". "Gönnen-Sein". Nichts aber auch GAR nichts hat auch nur einen Hauch von meiner Liebe für ihn weggenommen. Im Gegenteil. Hat was von Paradies. Ein Booster für unsere Liebe.

Mein erstes Mal.


Endlich erlebe ich das, was ich bis dato nur theoretisch verstanden habe. Liebe ist addierbar, multiplizierbar, ja sogar potenzierbar. Und so leuchte und strahle ich von innen heraus, jetzt, nach meinem ersten Mal.


Viele weitere erste Male.


Ein paar Tage danach stelle die beiden Männer einander vor. "Meiner" quillt über vor Dankbarkeit für den anderen, der dieses erste Mal ohne von dessen Bedeutung zu wissen mit mir gemeinsam kreiert hat.


Später treffe ich, nachdem ich meinen Partner in eine ebenfalls amouröse Nacht mit einer anderen entlassen habe (Story dazu folgt), auf ein Ehepaar. Es ist der Mann, der mich entjungferte und seine Frau. Wir unterhalten uns, immer wieder strecke ich meine Hand nach ihm aus, um ihn zu streicheln. "Möchtest du vielleicht in die Mitte?" fragt sie "Dann brauchst du dich nicht so zu strecken, um ihn zu berühren." Ich traue mich "ja" zu sagen und sitze nun zwischen den beiden. Ich fühle mich will-kommen. Aber sowas von.

Auch hier: Gönnen-Sein.


Fotos: Pixabay und Monika Engisch

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