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  • AutorenbildSusi

Der Satz.

Eigentlich ist es nur ein Satz. Ein Satz, gesprochen aus einem Mund. Er verfängt sich in meinem Ohr. Noch Stunden danach wandert er inzwischen mit einem Bedeutungscocktail versehen durch mein Hirn und hinab in meinen Körper. Er produziert Enge in meinem Brustkorb und Tränen hinter meinen Augen. Er nimmt mir den Atem. Er führt zu Krämpfen hinter meiner Stirn und legt mir zentnerschwere Steine auf die Brust. Und ich möchte nur noch schreien. Schreien, schreien, schreien.




Ein Satz nur.


Und der Schmerz paart sich mit Scham. Scham über meine Bedürftigkeit, meine Eifersucht, meine Angst, mein Schwach-Sein. Und Scham darüber, diesem Mann, der diesen Satz gerade gesagt hat, nicht schon längst den Laufpass gegeben zu haben, immer noch auf seine Liebe zu hoffen. Die Liebe, von der er sagt, dass sie unverändert da ist, während ich meine für ihn einfach nicht mehr spüren kann. Vor allem in mir selbst nicht mehr. Da ist nur noch ein inneres Betteln: "Bitte, bitte liebe mich".


Und während er sagt, dass er es tut und glaube ich ihm kein Wort. Wenn er mich lieben würde, wenn er mich wirklich wirklich lieben würde, dann würde er so einen Satz nicht einmal denken, er würde vor allem den Inhalt des Satzes so nicht erleben, jedenfalls nicht mit einer anderen Frau.

Ein Satz. Es fällt ein anderer Satz und später noch einer. Er spricht über sein Unbehagen, was ich aus solchen Sätzen mache, die Bedrohung die ich daraus für mich aufbaue, dabei sei er doch einfach nur frisch verliebt ohne eine Ahnung, wo das überhaupt hinführe. Für einen kurzen Moment überkommt mich eine Ahnung von Weite. Hingabe. So wie damals, als er das eine Wort sagte. "Polyamor" und mein Herz gegen meinen Willen einfach aufging. Und Nanosekungen später, wieder kaum merklich, wiederholt der Sprung in meiner inneren Platte wieder den Satz, den er gesagt hat, auf eine Frage von mir bezüglich der Häufigkeit seiner Treffen mit ihr: "Wir machen keine Termine, wir unterbrechen nur unser Zusammensein" Ein Satz. Sie unterbrechen nur ihr Zusammensein. Sie unterbrechen nur ihr Zusammensein. Sie unterbrechen nur ihr Zusammensein. Sie unterbrechen nur ihr Zusammensein. Echot es in meinem Kopf und meinem Herzen. Mit all dem nebulösen Bedeutungscocktail, den ich diesem Satz beimesse. Ich denke, sowas hat er über uns nie gesagt. So war es mit uns nie. Ich habe ihn verloren. Es tauchen Bilder auf, von anderen Menschen in meinem Leben, die sich nach intensiven Zeiten voller Zuneigung auf einmal anderen Menschen zugewandt und, wie ich glaubte, von mir abgewendet haben. Ich steh nur noch am Rande und schaue zu. Sooo viele. Angefangen mit der Geburt eines Geschwisters, über die Kindergartenfreundin, die sich auf einmal mehr mit einer anderen anfreundet, der erste Freund, der mich sitzen lässt, weil er andere hübsche Mädels aus meiner Klasse kennenlernt, die Kollegen, die sich für abends ins Kino verabreden und mich nicht fragen, ob ich mitkomme, die Tagung, wo meine geplante Rede stillschweigend vom Programm genommen wird, die alleinerziehende Single-Freundin, die auf einmal wieder in einer Beziehung ist und keine Zeit mehr für mich hat. Endlos. Endlos. Endlos. Warum suche ich eigentlich immer noch nach Liebe, wo es am Ende ja doch immer wieder so ausgeht, dass ich alleine da stehe. Bittere Galle steigt in mir hoch. Gedanken, die zwar autoaggressiv, doch wohl auch eine Art Schutz sind, um den echten nackten Schmerz nicht spüren zu müssen. Ich höre ihn nochmal, den Satz: "Wir machen keine Termine, wir unterbrechen nur unser Zusammensein" und lasse ihn diesmal einfach volle Pulle aufprallen. Er sagt es, ich höre es. Ich höre es, und verzichte auf all den Widerstand. Gebe mich dem ganzen Schmerz hin. Lasse die Tränen jetzt laufen. Weine und schluchze. Irgendwann werde ich ruhiger. Was bleibt mir auch übrig? Niemand kann ewig am Stück so lange weinen. Irgendwie muß ich überleben, widme mich dem Alltag, fürs erste gehe ich einkaufen.

Mitten im Supermarkt wird mir bewußt, dass ich den Gedanken-Cocktail gerade nicht denke. Er ist einfach weg. Für eine kurze Sekunde. Wie aus dem Nichts verschwindet er ins Nichts. Was bleibt? Frau im Supermarkt. Chips kaufen? Gute Idee. Die Chakalaka. Grinsen. Die mag er auch. Und leckeren Haferdrink für einen Kakao aus purer Selbstliebe, wenn ich gleich zuhause bin. Erinnerungsfetzen kommen hoch. Wir sind kaum ein paar Wochen zusammen, da spricht er davon, mit mir ein Wohnmobil kaufen zu wollen, nochmal ein paar Monate danach hält er die Idee, wir könnten doch Kinder adoptieren und zu diesem Zweck heiraten für geradezu genial, während ich über die ver-rückten Kerl lachend den Kopf schüttele. Eine scheinbar realistischere Vision taucht auf, ein gemeinsames Wohnprojekt auf dem Land, wir reden da immer wieder drüber. Der denkwürdige Tag, als er mich nach meiner Scheidung wortlos in den Armen hält, während ich die Anspannung aus mir rauszitterte. Wie wir uns einmal im Rahmen eines spirituellen Rituals für ein paar Minuten voneinander trennen, um zu testen, ob unsere Liebe auch eine Trennung aushält. Und wie wir zu der Erkenntnis kommen, diese Liebe ist "wirklich wirklich". Wunderschöne Erinnerungen. Romantisch verklärte Erinnerungen. Auch.


Ich lenke meinen Blick bewußt auf die schon erlittenen Verletzungen, die schwierigen Momente in unserer Anfangszeit. Eine davon: Wir mit seiner bis dato eher platonischen Freundin auf der Couch. Auch ein "ich muß dir was sagen", sie hatten an diesem Tag zum ersten Mal Sex. Riesenschmerz, danach ein tief verbindendes Gespräch zu dritt.

Gleich am nächsten Tag die nächste Ent-Täuschung. Er läßt mich ohne eine Nachricht stundenlang auf ihn warten. Wie kann er nur, wo er doch weiß, wie schwer das alles für mich ist? Als er endlich bei mir klingelt, bin ich in Tränen aufgelöst. Er sieht was los ist, hält mich. Der Text "Ent-Deckung" entsteht. Nein, ich leide nicht wegen ihm, auch nicht, wenn ich ihn und mich das so gerne glauben machen möchte. Ein warmes Gefühl durchströmt mich. Am Abend sind wir mit besagter Freundin zu dritt auf einem Konzert, ein Gefühl von Zusammengehörigkeit. Mir wird warm ums Herz in all diesen Bildern. Wer wäre ich ohne den Gedanken, dass er mir weh tut? Ohne den Gedanken, dass er jemals eine andere Frau mir vorziehen könnte? Ohne den Gedanken, dass er mich anderen Frauen vorziehen sollte? Ohne den Gedanken, dass er jetzt nicht so absorbiert von der neuen Beziehung sein sollte? Ich sehe, dass ich diesen Weg gewählt habe. Damals als er DAS Wort sagte. Polyamor. Und der Duft von Freiheit, Abenteuer und Hingabe mich lockte. Die Wärme im Herzen nimmt zu. Ich habe das so entschieden.


Ein Satz. "Wir unterbrechen nur unser Zusammensein" Sie und er, sie unterbrechen nur ihr Zusammensein, wenn sie sich mal nicht sehen. Er und ich, wir unterbrechen nur unser Zusammensein, während er jetzt mehr Zeit mit ihr verbringt. Ich und ich unterbreche nur mein Zusammensein mit mir, wenn der Schmerz mich mitreißt, weil ich glaube, ihn zu brauchen, wohlwissend, dass es ganz jemand anders ist, die ich brauche, micht. Und "unterbrechen" heißt, wir sind die ganze Zeit zusammen, auch während der Unterbrechung. Er und ich. Und vor allem: ich und ich. Ich muß ver-rückt sein, völlig durchgedreht, süchtig wahrscheinlich nach dem Drama, was auch immer.... ohne den Gedanken-Cocktail ist mir warm und wohlig ums Herz. Eine rote warme Energie, die aus meiner Brust heraus wächst und größer und größer wird. Sie durchströmt mich und aus mir heraus. Fühlt sich an wie eine Liebeserklärung an ihn. Aber was hat das alles mit ihm zu tun?

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