Ich habe mich getrennt. Vor ein paar Tagen war das. Seitdem viel Ge-Fühle. Auf und Ab und Ab und Auf. Erleichterung und Schmerz. Wehmut und Freude. Staunen und Trauern. Wut und Stille. Leben und Taubheit. Ein paar Kurzgeschichten.

Es hätte so schön sein können.
Tiefe Traurigkeit ergreift mich. Genährt von dem Gedanken: "Ach, es hätte sooo schön sein können, wenn er nicht...". Geschichten seiner "Verfehlungen" tauchen auf. Drehen das Messer noch ein wenig in der Wunde hin und her. Schwere zieht mich runter.
"Kurz telefonieren?" funkt er mich an. Ja, ich hab grad Zeit. Warm und vertraut seine Stimme zu hören. Liebe und Frieden. Wir sprechen über unsere gegenseitige Traurigkeit und die gleichzeitige Erleichterung, mit der Trennung auch die zuletzt eher toxischen Beziehungsmuster loslassen zu dürfen. Dann sagt er etwas, was mich kränken müßte. Ich beobachte, wie mein Ego tatsächlich kurz versucht, sich daran aufzuhängen. Kurz nur.
Dann die Umkehrung, sie kommt einfach so. Nein, es hätte nicht so schön sein können. Es WAR so schön. Wir hatten wunderbare Zeiten. Ich bin durchgeschüttelt und durchgeliebt worden. Hatte Höhenflüge an Kreativität. Durfte ahnen, was es heißen könnte, bedingungsarm zu lieben. Durfte die Weite und Größe meines Herzens kennenlernen. Stürzte mich in ein Riesenabenteuer und habe es mit allen meinen Zellen genossen. Die volle Packung Leben. Bis etwas in mir anfing, sich nach mehr Ruhe zu sehnen, oder vielleicht nach einer anderen Art von Abenteuer? So genau weiß ich das nicht.
Und das ändert nichts daran: es war einfach wunderschön. Und das bleibt in meinem Herzen.
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Mann, Wasser, Hallo, Tschüß
An diesem Tag renne ich den ganzen Tag rum wie Falschgeld. Ich spüre den Schmerz tief hinter der Fassade, die irgendwie versucht, sich aufrecht zu erhalten. Ich denke, ich sollte den Schmerz zulassen können. Und erreiche damit genau das Gegenteil. Ich atme schwer. Schleppe mich irgendwie durch den Tag. Stöhne innerlich über das, was ich verloren habe, glaube, mich nach ihm zu verzehren. Fühle mich extrem bedürftig und fühle mich gleichzeitig irgendwie gar nicht.
Ich habe Angst vor der Begegnung mit ihm. Er hat ein paar Kisten Wasser für mich besorgt und wird sie gleich bringen. Was, wenn der Schmerz noch größer wird, wenn ich ihn sehe? Was, wenn er besonders nett ist und ich meine Entscheidung, mich zu trennen vielleicht bereue? Was, wenn er blöd ist und ich das in Selbstvorwürfe ummünze, so einen Mann überhaupt geliebt zu haben und ihm immer noch nachzutrauern.
Und auf einmal ist er da. Zu spät, wie immer. Also quasi pünktlich. Ich grinse innerlich. Und dann sehe ich.
Ich sehe etwas Unerwartetes:
Einen Mann, der mir ein paar Kisten Wasser in meine Wohnung stellt.
Eine Frau, die das Wasser in Empfang nimmt.
Eine Umarmung und ein "Tschüß, bis bald".
Was wäre es, ohne meine Geschichten? Nur das!
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Ist das wahr?
"Warum tust du dir das an?" "Tut er denn auch was für dich?" "Der Typ ist doch ein Narzisst oder sonstwie-Path." "Dieses Ding mit der Polyamorie, das kann ja nicht funktionieren." "Ihm geht es gut mit seinen vielen Frauen und du leidest." "Pass auf dich auf."
Gut gemeinte Kommentare. Ich mache etwas, was nicht in die gesellschaftlichen Normen passt. Ich verliebe mich in einen polyamor lebenden Mann und erlebe eine sehr gefühlsintensive Zeit mit ihm. Ich höre diese Warnungen. Manche machen "Autsch", andere kann ich nur müde belächeln. Etwas in mir ist klar. Viele viele Monate. Ich will das. Die volle Packung Leben. Die volle Packung Liebe. Ich tu mir das an, weil es gut ist für mich, er zeigt mir neue Welten und ich staune und staune und staune. Ich fühle mich. Es funktioniert. Ich leide manchmal und meistens bin ich im Glücksrausch. Und ich weiß eines ganz gewiss: Ich passe auf mich auf. Wenn ich nur eine Sache im Leben kann, dann ist das das!
Und irgendwann kippt es. Er verliebt sich neu und diesmal ist es anders als bisher. Er ist anders. Ich bin anders. Unsere Beziehung bekommt Risse. Er warnt mich: "Bitte zieh die Reißleine, bevor du daran zerbrichst." Ich lache innerlich, auch wenn ich äußerlich weine. Ich weiß, es fühlt sich manchmal so an, als ob ich zerreisse, aber eins weiß ich gewiss, ich kann nicht zerbrechen, nein ich kann gar nicht anders als vollständig bleiben.
Eine leise Sehnsucht liegt in all dem Schmerz. Tief in mir weiß ich es schon seit ein paar Monaten, lange bevor seine Neue auftauchte: es ist nicht die Sehnsucht nach ihm, nach dem "es hätte so schön sein können". Es ist schlicht und ergreifend die Sehnsucht nach mir. Nach dem gemächlichen *mir*. Nach einer anderen Weite meines Herzens, die Weite, die in mehr Stille wohnt.
Länger als nötig und doch exakt so lange wie nötig bleibe ich noch in der Beziehung. Ich hoffe und kämpfe, vor allem um mein Ego. Mir graut vor den Unkenrufen: "Hättest du mal auf mich gehört, ich habe es dir doch gleich gesagt." Könnten sie gar recht gehabt haben? Projekt Scham Los schämt sich.
Und eines Morgens wache ich auf. Es ist soweit. Ich weiß es. Ich werde mich trennen. Und doch mit ihm verbunden bleiben. So mache ich das mit meinen Männern. Schon deshalb muß ich ja geradezu poly- oder zumindest flexi-amor sein. War es ein Fehler? Nein. Es war meine Wahrheit, solange, bis ich eine andere fand. Solange, bis ich wieder eine neue finden werde.
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