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  • AutorenbildSusi

Dieser Tag.

Der Duft des Frühlings lag in der Luft an diesem Tag. An diesem Tag.


Es gibt diese Tage, wo einen etwas leitet, jenseits des Plans. Tage, in denen Weichen neu gestellt werden. So ein Tag war das. Hinter mir lag ein langer Winter. Viel Dunkelheit. Und immer wieder die Frage, wie soll es weitergehen? Was kann ich nur tun? Und es wollte einfach keine befriedigende Antwort auftauchen. Und nun schickte die Sonne ihre Frühlingsboten. Immer noch ahnungslos fuhr ich über die Autobahn. So eine lange Fahrt hat ja etwas, es entsteht so eine Gleichförmigkeit, es gibt in gewisser Hinsicht nichts zu tun, außer auf den Verkehr zu achten. Zeit die Gedanken schweifen zu lassen, ohne in hektische Betriebsamkeit zu verfallen.

Sein ein Tag war das. Dieser Tag.

Der Ausweg war mir immer noch versperrt, ich kannte ihn nicht. Und doch war er so nah, direkt vor meinem Augen. Blaue Schilder kündigten die Abfahrt "Duisburg- Kaiserberg" an. Meine Gedanken sprangen darauf an. Dort war doch die Uni an der ich studiert hatte. Vor wievielen Jahren? Auf jeden Fall viele. Wie die Uni wohl heute aussieht? Etwas läßt mich Richtung Ausfahrt lenken. Nur mal eben gucken. Ich parke auf dem Parkplatz. Deja Vue. Laufe über den Campus. Manches alt und vertraut, manches neu und unbekannt.

So ein Tag war das. An diesem Tag.

Ich erinnere mich an die junge Frau, die ich damals war. Wie ich mein Leben damals gelebt habe, welche Samen ich damals gesetzt habe, ich wandere durch die vielen Jahre, die seitdem vergangen sind und wie die Samen von damals aufgegangen sind. Manche sind auch verkümmert. Auf einmal breitet sich ein Frieden in mir aus. Das lange Hadern des kalten dunklen Winters hört in diesem Moment auf. Ich sehe, wie alles gut ist, alles gut war. Ich schließe Frieden mit der jungen Frau von damals und der, die ich seitdem war. Ich sage danke und ich nehme Abschied.

So ein Tag war das. Dieser Tag.

Ich weiß, ich werde Abschiednehmen. Abschiednehmen in Liebe. Meine Ehe, sie endet an diesem Tag und gleichzeitig beginnt sie an diesem Tag neu. Es ist auf einmal so klar. Ich sehe diesen Mann meines Lebens, der schon damals zu Unizeiten an meiner Seite war, ich sehe die Höhen und Tiefen, die wir durchschritten haben, ich sehe die Liebe, die uns durch die Zeiten getragen hat und die uns weiterhin tragen wird. Ich weiß, es gibt keinen Grund jemals aufzuhören, ihn zu lieben. Unsere Seelen sind miteinander verwurzelt und nichts kann jemals etwas daran ändern.

So ein Tag war das. Ein Tag des tiefen Friedens.

Und unsere Form miteinander zu leben, ist nicht mehr stimmig. Sie funktioniert nicht mehr. Der Kampf endet in diesem Moment. Ich weiß, ich werde nie aufhören, ihn zu lieben UND ich werde nicht mehr mit ihm wohnen. Es ist dieses UND, was den Weg frei macht. Und es ist dieses UND, was ich erst heute, sieben Jahre danach in seiner ganzen Fülle verstehe.

So ein Tag war das. Der Tag an dem ich polyamor wurde.

Natürlich wußte ich das in diesem Moment nicht. Ich wußte nur, ich weigere mich zutiefst, mir die Liebe zu diesem Mann aus dem Herzen zu reißen, nur weil wir uns "trennen". Ich weigere mich, auch aus einer Wertschätzung mir selbst gegenüber heraus. Ich bin die junge Frau, die sich immer und immer wieder für diesen Mann entschieden hat. Wie konnte das jemals falsch gewesen sein? Ich bin die ältere Frau, die sich auch jetzt wieder für ihn entschieden hat, indem sie einen anderen Weg geht.

So ein Tag war das. Dieser Tag.

In den Jahren danach erstickten Beziehungsversuche mit anderen Männern immer wieder im Keim. Ich verstand nicht warum, ich war doch "getrennt" und frei, warum verdammt nochmal fühlte ich mich fast wie schuldig, als ginge ich fremd, wenn da ein potentieller Kandidat für eine neue Partnerschaft am Horizont stand? An diesem Frühlingstag, war ein Samen gesät worden und doch brauchte es noch einige Winter, bis er wirklich aufgehen konnte. Das passierte dann an einem Frühlingstag vor fast einem Jahr. Ein Mann nahm das Wort "polyamor" in den Mund. Ich wußte damals noch nicht, dass ich ihn lieben würde. Es war nur, dass etwas aufging. Das innere Gebot, nur einen lieben zu dürfen, hatte ausgedient. Es war mir nicht bewußt, dass ich ab sofort polyamor lieben könnte. Und nun habe ich zwei Männer, die ich "mein Mann" nenne, den alten und den neuen, aber vielleicht ist es auch umgekehrt. Doch das ist eine andere Geschichte.

Der Duft des Frühlings liegt in der Luft.

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