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  • AutorenbildSusi

Ein Wort.

Aktualisiert: 26. Sept. 2019

Im Grunde genommen ist es nur ein Wort. Und doch läßt es das Leuchten in ihren Gesichtern augenblicklich verschwinden. Woran es wohl liegt, dass sie darauf reagieren, als handele es sich um eine gefährliche Viruserkrankung ?


Dabei war eben noch alles gut, ich habe erzählt, dass ich mich verliebt habe und wie schön und stimmig sich das anfühlt. Wie vieles auf einmal so leicht erscheint, was vorher in anderen Beziehungs"versuchen" von Anfang an so schwierig war. Was für ehrliche offene und echte Gespräche wir führen, wie integer wir sind, wie sehr ich mich selbst noch ein bißchen besser kennenlerne im Kontakt mit ihm.


Ein Wort.


Ja, ihre Augen haben geleuchtet, sie haben sich mit mir gefreut, waren entzückt. Vielleicht haben sie die Story in ihrem Kopf noch mit der ein oder anderen romantischen Vorstellung verziert. Ja vielleicht sogar am fernen Horizont schon die Hochzeitsglocken gehört?


Solange, bis ich dieses Wort sage.


Nur ein Wort.


Und augenblicklich zucken sie zurück.


Im besten Fall bekomme ich gut gemeinte Warnungen zu hören. Sowas wie "Na dann genieß es, solange es dauert. Du weißt ja, dass es eines Tages weh tun wird." Stimmt, das kann passieren, aber tut es das nicht ohnehin? Wenn ich mich einlasse, dann mache ich mich auch verletzbar.


Manchmal werden die Reaktionen auch verurteilend. "Na dann ist es ja kein Wunder, dass das so leicht ist. So brauchst du dich nicht einlassen." Aha, ein Wort und der Stempel eines anderen Wortes saust auf mich nieder. "Beziehungsunfähig" steht da.

Ein Wort.


Ich gebe zu, auch ich hatte meine Vorstellungen von diesem Wort. Auch ich war gaaanz schnell mit dem Stempel "beziehungsunfähig" dabei.


Ein Wort.


Als er es das erste Mal sagte, ging es mir ähnlich. Ok, dachte es in mir, wenn du dieses Wort sagst, dann gibt das hier ganz sicher nichts mit uns. Mit so einem wie dir, fange ich sicher nichts an.


Ein Wort.

Doch dann kam es anders. Es war als sei eine Work (The Work of Byron Katie) in Millisekunden durch meine Hirnwindungen gerauscht.


"Er sollte nicht so sein" Ist das wahr?

Ja. Äh. Nein. (Huch wo kam das denn her?)


Wie reagiere ich mit dem Gedanken "Er sollte nicht so sein"?

Streß, Ablehnung, ja auch potentielle Enttäuschung. Das Wort zerstört jetzt schon die romantischen Vorstellungen, die ich hätte haben können.


Wer wäre ich ohne den Gedanken?

"Ja, wie geil ist das denn?" spricht etwas in mir. Hey wer spricht da? Ich habe keine Ahnung. Und doch fühle ich: WOW. Da legt mir jemand (s)eine Welt zu Füssen, für mich eine völlig neue.

Als ob die Luft aus einem Ballon ein bißchen pupsend entweicht: all der Druck von so und so muß Beziehung aussehen. So und so muß der Traumpartner sein, so und so muß ich sein, damit ich den auch kriege.

All das verpufft in diesem Moment.


Und dann geht mein Herz auf und ich sage innerlich "ja" zu allem, von dem ich in dem Moment noch nicht weiß, was kommen mag.


Ich spüre ein "ja", und weiß doch nicht wozu. Zu diesem Menschen, der mein Herz berührt. Ja, auch zur fehlenden Sicherheit, kein doppelter Boden, freier Fall. Ja, zu unbekanntem Terrain. Ja, zu dieser wunderbaren Ehrlichkeit, die mich so magisch anzieht, wie das Licht eine Motte. Ja, auch zu all der Eifersucht, mit dem mich dieses Wort konfrontieren wird. Dieses Wort, das das Tor hätte verschließen müssen und es stattdessen sperrangelweit aufgerissen hat. Ist das Mut? Ich weiß es nicht, ich hatte eh keine Wahl.


Ein Wort.


Und jetzt sage ich dieses Wort auch vor anderen, wohl wissend, dass ich damit den Schuß freigebe für eure Gedanken über mich.


Das Wort heißt "polyamor".

Ich habe mich in einen Mann verliebt, der polyamor lebt. Er lebt Liebesbeziehungen mit verschiedenen Menschen.


Und ich? Oh ja, ich begegne Verlassensängsten, Eifersucht, Zweifeln, all dem. Ja, manchmal wünsche ich mir diesen rosa wattierten Verliebtheit-Kokon. Und zugleich erlebe ich soviel Liebe, Warmherzigkeit und Angenommensein, wie selten zuvor. Ich fühle mich frei und zugleich verbunden und sicher geborgen. Wir begegnen uns so roh und echt. Keine Heimlichkeiten, keine Spielchen.


Er wird mich nicht retten, wie wunderbar, das ist ohnehin mein Job.


Ach übrigens, bisher ist der vermeintlich gefährliche Virus nicht auf mich übergesprungen. Ich betrachte mich (noch?) als monogam.


Obwohl... Ich bin tief verbunden mit mindestens zwei weiteren Männern. Und andere Herzensmenschen hab ich auch. Und dann bin da noch ich selbst, die ich liebe.


Poly-Amor. Mehr-Liebe.


Was für ein Wort.

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