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AutorenbildSusi

Eine Geschichte von Verbundenheit


Prolog:

Tantra ist Schweinkram, ist das wahr? Lange habe ich es unter einem Deckmantel gehalten. Dass ich gerne auf Tantra-Seminare gehe, wußten nur einige Leute, denen ich vertraut habe. Zuviel Angst hatte ich davor, was andere denken könnten. Und das mir als "professionelle Gedankenhinterfragerin". The Work, die Methode, mit der man sich seine stressigen Gedanken anschauen kann, hat mich damals erst geöffnet überhaupt einmal Tantra auszuprobieren und hilft mir heute, meinen Streß damit, dazu auch zu stehen, immer wieder zu untersuchen.

Jetzt kam in "meiner" (also eigentlich in der von Mark Oswald) Storytelling-Gruppe Interesse an Tantra auf und es wurde bemängelt, dass es keine Storys gibt, die das Thema greifbarer machen, nicht nur rational verständlicher, sondern auch emotional be-greif-licher.

Also dachte ich mir, versuch ich es mal mit einer Story, wie sie mir passiert ist.

 


Die Story:

Ein heißer Sommer. Tantra-Festival im zakk bei Berlin. Die Workshops reichen von spirituellen Teachings und frommen Meditations-Angeboten über aktive Energetische Rituale und Massagen bis hin zu roten Tantra, der Vereinigung von Mann und Frau.

Letzteres ist nichts für mich, ich fang mit den leichten Sachen an. Doch dann zieht mich dieser Slow Sex Workshop.Tantra heißt ja auch sanft die Grenzen erweitern, also versuche ich es mal, ich kann ja jederzeit wieder gehen.

Schon am Eingang geht's los. Wir kommen nur paarweise rein, eh ich's mich versehe, habe ich einen Mann an der Hand und betrete den Raum mit ihm. Gleich darauf verliere ich ihn auch schon wieder aus den Augen.

Noch sind alle angezogen. Puh, ich bin echt gespannt und nervös und überhaupt.

Wir beginnen mit einer Meditation. Ich sehe Farben in meinem Herzen, sie bewegen sich wie Schleier und erden mich tief in mir. Nun bewege ich mich durch den Raum, Hand auf meinem Herzen, verbunden mit mir, gehe ich vorsichtig in den ein oder anderen Blickkontakt.

Irgendwann steht ein Mann vor mir und es ist ohne Worte klar, wir werden die nächste Übung miteinander machen.

Wir sind immer noch voll bekleidet. Nun stellen wir uns mind. 5 Meter voneinander auf und schauen uns eine laange Weile in die Augen. Das hat etwas magisches und intimes. Dann schließen wir Frauen die Augen, während der Mann, der Shiva, die Aufgabe hat, sich seiner Frau, der Shakti in Mega-Zeitlupe soweit zu nähern, bis er ihren Raum betritt. Was auch immer "Raum" heißt, ich glaub ja eigentlich nicht an so einen Hokuspokus.

Ich sehe ihn nicht. Ich bin mit mir verbunden und er ist weit weg, das ahne ich. Da wir barfuss sind, höre ich ihn auch nicht, wie er näher kommt und doch spüre ich etwas, als ob die Luft, der Raum zwischen uns sich verdichtet, umso näher er mir kommt. Ich ahne jeden Zentimeter, den er sich nähert.

Und dann auf einmal verändert sich etwas. Ich spüre deutlich, jetzt! Jetzt steht er quasi bei mir vor der Tür, auf Tuchfühlung sozusagen, wahrscheinlich ist er schon ganz nah. Ich lasse tapfer die Augen zu, kann aber nicht umhin, mal meinen Arm nach vorne schlenkern zu lassen, um unauffällig zu prüfen, wo er denn nun steht. Aber da ist: Nichts. Er ist viel weiter weg, als ich dachte.

Eine kleine endlos Weile stehen wir so, bis ich spüre, dass die unsichtbare Schwelle nachgibt und er dem folgt, er betritt nun meinen Raum, langsam, sehr achtsam kommt er näher.

Und irgendwann steht er so dicht, dass ich seine körperliche Präsenz jetzt wirklich spüre. Dennoch berührt er mich nicht. Auch so stehen wir wieder eine ganze Weile.

Dann kommt die Ansage: "Und wenn es sich für dich richtig anfühlt, kannst du deine Shakti jetzt sanft berühren.". Mein Kopf will, dass er es tut. Aber er tut es nicht. Ich gehe in Rebellion: "Wahrscheinlich werden gerade alle Shaktis im Raum liebevoll gestreichelt, nur ich nicht!" - Hey Susi, mußt du dir jetzt mit so'nem Scheiß wieder alles zunichte machen?

Ich erinnere mich an mein Herz und die Farben und ich atme. Und ich spüre ihn. Eine große Präsenz, wie er da vor mir steht. Ich spüre, die nächste Schwelle ist allein in mir, ich atme in sie hinein. Und auf einmal gehen die Schleusen auf, ich fühle mich gehalten wie selten in meinem Leben, er ist da und hält mich und die Tränen fangen an zu laufen. Still und kraftvoll lösen sie mich auf. Wer bin ich, wer ist er? Die Grenzen verschwimmen. Ich "liege" in seinen Armen und dass er mich dabei immer noch nicht berührt, macht das Ganze nur umso kraftvoller. Ich bin geborgen und dann spüre ich, wie seine Arme sich nun auch körperlich um mich schließen. Und immer noch, sind wir völlig bekleidet und werden es auch bleiben.

Im anschließenden Gespräch erfahre ich, dass er auf seiner Seite vieles ähnlich empfunden hat wie ich, dass er dieses Bedürfnis verspürte mich zu berühren und zugleich wußte, dass das jetzt noch nicht dran ist.

Jetzt bin ich an der Reihe, mich ihm zu nähern. Es ist anders und doch ähnlich. Ich stehe in der Schwelle zu seinem Raum, als ich noch über einen Meter von ihm entfernt bin. Ich spüre es ganz deutlich. Es ist der Hammer.

 


Epilog:

Später gehen wir zwei noch einen Kaffee zusammen trinken. Ein Bekannter kommt aufgeregt auf mich zu und fragt wie es beim slow sex-Workshop war. Ich antworte: "Toll, und wir hatten keinen Sex." Woraufhin mein Shiva lächend sagt: "Oh doch, das hatten wir." Und irgendwie hat er recht!


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