Seine Augen funkeln mich böse an. Ich halte seinem Blick stand. Stille Tränen überfluten mein Gesicht. Ein paar Meter weiter steht sie und wartet still.
Ein paar Minuten zuvor: mein Partner, eine seiner anderen Partnerinnen und ich sitzen kuschelnd in der Bahn, machen lustige Selfies zu dritt und freuen uns aufs Kino: Bohemian Rapsody.
Auf einmal fällt eine Bemerkung und etwas in mir verschließt sich. Es ist ein Triggerthema zwischen uns, er und ich haben uns schon öfter daran gerieben, dass wir hier (noch) nicht auf einen Nenner kommen. Die Bemerkung lässt in mir eine Art Kälte und Enge hochkriechen, während er und sie zunächst in aller Unschuld weiteralbern.
Mein Körper erhebt sich und setzt sich auf die andere Seite. Ich starre mit leeren Augen durch den Waggon, atme in den inneren Frust hinein. Was fühle ich eigentlich? Ich weiß es nicht, es ist einfach nur kalt in mir.
Ich kann die anderen beiden nicht mehr anschauen. Etwas in mir schämt sich für seine Gefühle, die Wut, die Trauer und die diffuse Angst.
Die fröhliche Stimmung schlägt um. "Hast du dich weg gesetzt?" fragt sie noch und lacht dann über diese Frage, wo das doch gerade offensichtlich ist. Und es ist genau diese Frage, die sie stellen mußte, um mich aus der Erstarrung zu bringen. "Ja" höre ich mich sagen.
Eine Nanosekunde später sitzt sie neben mir. Hält meine Hand. Fragt mich sanft, ob ich erzählen mag. Ein paar Worte dringen aus meinem Mund, während nun doch meine Augen die seinen treffen. Ein stummer Blick, der Bände spricht. Angst, Frust, Schmerz, Verletzung auf beiden Seiten. Der Blick verwebt sich mit ihrer warmen weichen liebenden Hand, die meine hält..
Jenseits aller Worte und aller Alltagskonflikte, jenseits aller kalten Erstarrung und heißem Ärger liegt eine liebende Kraft in der Luft, die uns alle drei umhüllt. Wir können diese Kraft nicht bewußt wahrnehmen, weil stressende Gedanken sie überlagern. Und doch ist sie da. Unsichtbar, kaum spürbar, aber mit einer klaren Präsenz.
Unsere Haltestelle ist erreicht, wir lösen uns aus der Trance und funktionieren wieder, steigen aus der Bahn. Legen locker-leichtes Geschwätz über das eben Geschehene, als könnten wir wieder Alltag spielen.
Draußen ist es kalt. Und Freddie Mercury wartet auf uns. Wir "müssen" los zum Kino. Müssen wir? Können wir?
Wir sind wie ein Organismus. Kennen unsere "Aufgaben" wie im Schlaf. Er bleibt stehen und dreht sich zu mir, während sie ein paar Schritte weiter geht. Gerade soweit, dass sie seine und meine Privatsphäre in diesem Konflikt zwischen uns beiden schützt und dennoch unsichtbar mit uns verwoben bleibt.
Er spricht. Wenige wohl akzentuierte ärgerliche Worte: er sei es leid, dass ich immer wieder mit diesem Thema anfange. Ich spüre, dass ist noch nett ausgedrückt: in Wahrheit findet er es zum Ko....
Seine Augen funkeln mich böse an. Ich halte seinem Blick stand. Stille Tränen überfluten mein Gesicht. Ein paar Meter weiter steht sie und wartet still.
Ich sehe sie, ich sehe ihn. Mein Herz atmet. Für einen Augenblick bleibt die Welt um uns herum stehen. Und dann erreicht eine Art innere Explosion meine Synapsen und ein wohliger Schauer berührt mein Herz. Seine Wut in diesem Moment ist die vielleicht schönste und ehrlichste Liebeserklärung, die er mir je machen konnte. Viel kraftvoller als ein in einem guten Moment ein leicht daher gesagtes: "ich liebe dich".
In diesem Moment spüre ich, der Gedanke, dass ich austauschbar sein könnte, nur weil er mehrere Menschen liebt:
Es. Ist. Nicht. Wahr.
Wie soviele stressige Gedanken, die meine Liebenswertigkeit jemals angezweifelt oder geglaubt haben, ich könne das hier nicht. Es ist nie wahr gewesen. Niemals.
Und während seine Augen immer noch böse funkeln, erreicht mich die wärmende Ur-Kraft unserer Liebe, wo wir hier miteinander im Feuer unserer Gefühle stehen.
Etwas löst sich auf. Für den Moment gilt ein stillschweigendes "we agree to disagree". Wir werden einen Weg finden, der unser beider Bedürfnisse berücksichtigt. Aber nicht jetzt. Wir wollen unsere Freundin und Freddy nicht länger warten lassen.
Unsere ganz persönliche Bohemian Rapsodie.
Epilog.
Wir sind auf dem Heimweg. "Ich will dich nicht verlieren, wegen so einem Scheiß". Hat er das gesagt oder war das ich? Der "Scheiß", vielleicht wird er sich in Gold verwandeln.
Erste Ideen zur Konfliktlösung zeigen sich am Horizont.
We agree to (dis)agree. Bohemian Rapsodie.
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