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  • AutorenbildSusi

Vom Tauchen und Fliegen

Ich tauche. Unter Wasser ist die Optik eine andere. Alles ist rund, selbst das was eckig ist. Das Licht und die Formen sind gebrochen und doch wunderschön.


Ich bin schwerelos, meine Augen weit geöffnet, eine Luftblase an meinem Mund. Ich schwebe, brauche nicht zu atmen. Alles passiert in Zeitlupe, ich schwebe ohne Ziel, ohne Zeit und Raum im Raum. Bunte Fische schwimmen vorbei. Ich bewege Arme und Beine. Ganz langsam, damit ich die Fische nicht aufwühle, nur so kann ich die ganze Schönheit hier unten wahrehmen und genießen.

Ich habe Zeit. Endlos Zeit. Endlose Zeit.

Ich schwebe, ich schwebe, ich schwebe.

Selbst im Schwimmen schwebe ich noch, ich beeinflusse Tempo und Richtung, entscheide, wohin ich mich wende und alles geschieht ganz gemächlich.

Das Unterwasserleben zieht an mir vorbei. Ich weiß, ich kann nichts verpassen, es kommt sowieso alles zu mir. Alles, was Gott für mich erschaffen hat, wird mirauch begegnen. Ganz ohne mein Zutun. Bunte Fische und die Ruhe in mir. Die Zeitlupe unter Wasser, sie ist auch in mir.

Mein innerer Atem wird ruhiger. Meine Bewegungen, achtsam, langsam, eine - nach - der - anderen.

Selbst mein Denken nimmt das Tempo raus. Ich wende mich nach rechts, nach links, nach oben, nach unten.

Ich sehe nicht sehr weit. Tiere und Dinge kommen in mein Sichtfeld. Ich staune und erfreue mich daran. Ich beobache sie, bis sie vorbei sind und wieder aus meinem Sichtfeld verschwinden.

Ein Paradisevogel taucht durch die Wasseroberfläche ein. Ich erkenne ihn.

Er hat ein wunderschönes Gefieder, an dem das Wasser jetzt abperlt. Ich sehe und ich liebe ihn.

Prachtvoll taucht er an mir vorbei. Ich staune und ich liebe.

Die Liebe erfüllt alle Zellen in mir, vom Kopf bis zu den Zehen. Ich weiß, er wird wieder aus dem Wasser in die Luft auftauchen, er braucht Luft zum Atmen, während ich hier im warmen Wasser bleibe.

Wenn er wieder kommt, bringt er mich einen Traum, er hat ihn in seinem Schnabel. Das warme Wasser umspült mich. Ich habe hier auf ihn gewartet. Ganz still, ruhig und geduldig. Und "geduldig" ist nicht das richtige Wort. Ich war tief in meinem Sein verankert. Mein Herz hat geklopft, mein Körper war voller Farben, die Liebe hat mich erfüllt. Ich konnte warten, weil alles schon da war. Ich mit mir, der Stille, der Tiefe und er Liebe.

Jetzt höre ich, wie die Luft durchs Wasser kracht und er ist wieder da und hat mit seinen Traum mitgebracht. Er reicht ihn mir. Wir verschmelzen, ich nehme sein Gefieder an. Er flüstert: "Wenn ich nächstes Mal komme, bringe ich dir das Fliegen bei." Und ich lächele zurück: "und ich dir das Tauchen." Als er wieder nach oben an die Luft drängt, sehe ich wie blaues Wasser in ihm ist, er hat sich schon verändert.

Es dauert länger, bis er wieder kommt. Ich liebe ihn noch immer. Ich bin voller Farben innerlich und an meinem neuen Gefieder.

Ich gestalte mir meine Welt hier in der tiefen See(le). Langsam schwimme ich überall hin, wo ich sein will.

Er wird kommen, das steht fast. Und dann werden wir noch ein wenig mehr verschmelzen. Mein Herz ist warm und offen, das Wasser streichelt meine Haut und mein Gefieder. Ich werde mit ihm tauchen und er wird mit mir fliegen.

Er kommt, ich spüre und sehe ihn, lange bevor sein Körper da ist. Er kann gar nicht anders. Ich kann gar nicht anders. Ich spüre ihn in mir und ich bin in ihm, wir machen Liebe, selbst wenn wir getrennt sind. Jetzt in diesem Augenblick schlafe ich mit ihm. Es ist eine tiefe freudige Vereinigung. Es ist alles, was ich brauche. Vielleicht taucht er gerade wonaders unter Wasser, schläft mit einer anderen Frau und die Liebe, die dabei entsteht, sie erfüllt auch mich. Vielleicht begegne ich einem anderen Mann und wenn ich mit dem schlafe, wird die Liebe auch ihn erreichen. Wir sind zusammen, selbst wenn wir getrennt sind.

Geschmeidig taucht er wieder ins Wasser ein. Er ist jetzt wirklich da, in seiner ganzen Pracht vor mir. Er nimmt mich, taucht mit mir au dem Wasser auf und breitet seine Flügel aus.

Weite und Luft umgibt mich. Mir ist ein wenig kalt, doch schnell trockne ich in der Sonne und fühle, auch hier ist es warm. Wir fliegen und sehen das Wasser von oben, die Vögel in der Luft und die Fische unter der Wasseroberfläche.

"Konntest du mich sehen, von hier, wenn du oben warst?" frage ich ihn. "Nein," sagt er "du hast zu tief getaucht, es war nicht möglich." "Wie hast du mich dann gefunden?" frage ich jetzt. "Ich mußte dich nicht finden, ich wußte, wo du bist. Immer. Genauso, wie du wusstest, dass ich kommen würde. Immer."

Und wir lieben uns wieder, in der Luft hier oben machen wir Liebe. Ich spüre ihn in meiner Yoni und in meinem Herzen. Ich höre seine Träume und ich verstehe seinen Wunsch, frei zu sein.

"Ich bringe dich jetzt zurück" sagt er. "Ja, bitte" antworte ich. Es ist ein magischer Moment, als wir wieder durch die Wasseroberfläche in die Tiefe gleiten. Das hier ist mein Element.

Ich lasse los. Alles. Ich schwebe. Innere Orgasmen erfüllen mich, als er wieder geht, zurück in die Luft, seine Gefieder immer noch bunt und zusätzlich wasserblau. Wenn er wieder kommt, wird er mit mir tauchen. Und dann zeige ich ihm meine Welt. Er fliegt hoch oben in der Luft und ich sehe ihn, obwohl ich ihn nicht sehen kann. Wir sind in Liebe verbunden.

Text: Susanne Große-Venhaus, Dezember 2018, liebenslust

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