Er schreit und schreit und schreit. Eben noch hat er versucht, irgendein viel zu großes Teil durch eine viel zu kleine Form zu zwängen. Aussichtslos.

Ich glaube, ich werde wahnsinnig. Nicht nur, dass ich meinem Dreijährigen nicht helfen kann, ich kann auch das Gebrüll nicht mehr ertragen. Momentan geht das täglich so, vielleicht auch stündlich. "Ich halte das nicht aus!!!" brüllte es in mir.
Stop. Ich erinnere mich an The Work. "The Work ist ein Weg, die Gedanken zu erkennen und zu hinterfragen, die all dein Leiden verursachen." sagt Byron Katie, die mit diesem Weg aus tiefster Depression erwachte.
In meinen Works über die Trotzanfälle meines Kindes erkenne ich, dass u.a. der Gedanke "ich das nicht aus", einfach nicht wahr ist. Dies ist das Kind auf das ich so viele Jahre gewartet habe und nun denke ich, ich halte sein Brüllen nicht aus?
Und doch, er brüllt und da ist es wieder. Manchmal braucht es Zeit, bis Erkenntnis bis zum Herzen durchsickert.
Ich. Halte. Das. Nicht. Aus.
Für einen Moment spüre ich wieder, was allein dieser Gedanke mit mir macht. Mein eigener purer Horrorfilm. FSK ab 18.
Und dann fällt der Groschen. Ich halte es aus. Ich lebe, er lebt, es ist laut, sehr laut. Aber sonst? In mir wird alles weich. Ich betrachte mein sich windendes Kind, ich sehe seine heißen Tränen in seinem roten Gesichtchen und meine ganze Anspannung entweicht. Ich liebe es. Ich liebe sein Gebrüll. Verrückt, aber ich liebe es.
Und nebenbei fällt mir auf, dass auch ich versuche, viel zu große Dinge, wie die Emotionen eines Dreijährigen durch ein viel zu kleines Loch meiner Vorstellungen von Elternschaft zu pressen.
Und als sei es nur darum gegangen, dass Mama das endlich erkennt und aufhört gegen das Leben anzukämpfen, schläft er von jetzt auf gleich friedlich auf meinem Schoß ein. Fast bin ich enttäuscht. Und doch so dankbar.
I got hooked. Würden die Amerikaner sagen. Ich wurde eingehakt. Ich habe angebissen. The Work hat mich fortan durch viele Lebensphasen begleitet. Ich wurde Coach. Immer wieder zeigt mir The Work, wo ich und die Menschen, die ich begleite, viel zu große Dinge durch viel zu kleine Formen pressen wollen und wie sich auf einmal unerwartete Wege auftun, wenn man bereit ist, solche Gedanken zu hinterfragen.
The Work ist nach wie vor, die beste "Erziehungsmethode" überhaupt für mich mit meinem Kind. Sie hat mich am Ende meiner Ehe vor Verbitterung und Rosenkrieg bewahrt. Sie hat mir geholfen viel Scham abzulegen und meine Sexualität zu befreien. Und als ich in der Liebe versuchte, etwas, was viel zu groß ist, durch die viel zu kleine Form meiner Vorstellungen von Mr. The One and Only zu pressen, hat sie mir den Weg in eine neue Form des Liebens gezeigt.

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